Unter Wanderern genießt der Grande Randonnée 20 (GR 20) auf Korsika Kultstatus: Die Strecke gilt als einer der anspruchsvollsten Wanderwege Europas. Dabei wird zwischen dem alpinen Nordteil und dem etwas einfacheren Südteil des Weges unterschieden.
Unabhängig vom Schwierigkeitsgrad ist er aber definitiv einer der schönsten Fernwanderwege. Unsere Wanderung auf dem GR 20 in der zweiten Hälfte des nördlichen Abschnitts war dementsprechend ein zwar forderndes, aber auch wunderschönes Erlebnis.
Doch vor den Genuss haben die Berggötter die Vorbereitung gestellt und die war in diesem Fall … interessant. Die übliche Recherche lieferte teils widersprüchliche oder keine Ergebnisse. Hier versuche ich nun einige Fragen zu beantworten, die währenddessen aufkamen. Falls du eine Wanderung auf dem GR 20 planst, werden dir diese gesammelten Informationen hoffentlich dabei helfen.
Streckenbeschaffenheit & Wetter auf dem GR 20
Der „schwierigste Fernwanderweg Europas“ sei er, wobei solche Einschätzungen natürlich immer völlig subjektiv sind. Des Einen schwierig ist des Anderen Nachmittagsspaziergang.
Auf der SAC Wanderskala werden die Etappen des GR 20 als T3 und T4 eingeordnet. Es handelt sich also um teils einfache, teils anspruchsvolle Bergwanderungen mit einfacheren Kletterpartien und ausgesetzten Stellen. Alpine Erfahrung wird vorausgesetzt, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind zwingend nötig.
Wanderungen auf dem GR 20 sind von Mitte Juni bis Ende Oktober möglich, wenn die Berge weitgehend schnee- und eisfrei sind. Während unserer Tour Mitte Juni gab es durchaus Schneefelder, die noch nicht geschmolzen waren.
So lief die Wegführung an der Brèche de Capitello über ein tauendes Schneefeld: Rechts die Felswand, links der Abgrund, dazwischen ein schmaler, rutschiger Pfad im Schnee. Ganz klar der Punkt an dem ich beschloss, künftig – falls ich das hier überleben sollte – wieder Wanderstöcke mitzunehmen. Und sei es nur, um sie an solchen Stellen parat zu haben. Hier packten die meisten Wanderer auch ihre Grödel (Leichtsteigeisen) aus, was sich als absolut sinnvoll erwies.
Mitte Juni hatten wir traumhaftes Wetter: Hin und wieder war es bedeckt, aber meistens lachte uns die Sonne aus dem wolkenlosen Mittelmeerhimmel an. Ich verbuche das unter Glück, denn wie überall im Gebirge kann natürlich auch hier das Wetter schnell umschlagen.
Deine Packliste sollte also – wie bei jeder längeren Bergwanderung – verschiedene klimatische Bedingungen abdecken. Da es auf dem Weg häufig keinen Schatten gibt, ist auf jeden Fall ausreichender Sonnenschutz wichtig.
Hütten auf dem GR 20
Die Refuges auf dem GR 20 werden von der Parkverwaltung des Parc Naturel Régional de Corse betrieben. Übernachtungen können bequem über deren Website gebucht werden. Dabei kannst du entscheiden, ob du einen Schlafplatz in der Hütte, ein Leihzelt oder einen Platz für dein eigenes Zelt buchen willst. Wildcampen ist auf Korsika verboten und es wird vor allem in der Hochsaison kontrolliert.
Der einfache Hüttenstandard ist in den meisten Refuges durchaus in Ordnung, auch wenn deutlich weniger Komfort herrscht als auf den meisten Alpenhütten.
Die Preise für Übernachtungen sind mit denen auf DAV-Hütten vergleichbar, die Leihgebühr für die Zelte ist günstiger.
In den Hütten findest du Matratzenlager, in den 2-Personen Leihzelten Isomatten. Eine eigene Isomatte brauchst du in diesen Fällen nicht. Anders als in den Alpen werden aber keine Decken ausgegeben, ein Schlafsack ist also nötig. Die Schlafräume sind klein, heiß und stickig … notfalls könnte auch ein Hüttenschlafsack ausreichen. Ich empfehle trotzdem, lieber einen Outdoor-Schlafsack mitzuführen: Falls du einmal eine Hütte nicht mehr erreichst, musst du schließlich draußen übernachten. Deshalb ist auch ein Notfall-Biwaksack sinnvoll.
Don’t spread the bugs!
Über Bettwanzen in den GR 20 Hütten hatten wir im Vorfeld viel gehört, tatsächlich gesehen haben wir sie aber nur in einer Unterkunft: Im Refuge de Petra Piana waren alle Anzeichen eines Befalls – wie Blutflecken auf den Laken, Larvenhäute und Kotspuren – vorhanden. Die Hütte machte aber generell nicht den saubersten Eindruck und es können einige Tage vergehen, bis die Bissspuren sichtbar werden. Einen weniger offensichtlichen Befall in den anderen Hütten kann ich also nicht ausschließen, zumal die Biester auch im Gepäck der Wanderer mitreisen. Ihr Aktionsradius ist zum Glück nicht sonderlich groß. Wir haben also immer versucht, die Rucksäcke mindestens zwei Meter von der Schlafstatt entfernt zu lagern. Unsere Hüttenkleidung war dann tagsüber in verschliessbaren Plastikbeuteln, aber eine sichere Methode zur Vermeidung dieser Tiertransporte gibt es wohl nicht.
Wieder zu Hause angekommen ging unser komplettes Gepäcke dann erstmal für zwei Tage in die Tiefkühltruhe, bevor es gewaschen wurde. Das tötet die kleinen Monster und verhindert eine Einschleppung.
Die Sauberkeit der Hütten und ihrer sanitären Einrichtungen schwankt, ist aber (bis auf eine Ausnahme) meist in Ordnung. Besonders positiv fällt das innovative WC-System im Refuge de Manganu auf, in den anderen Hütten musst du dich mit klassischen Trockentoiletten (Plumpsklos) begnügen. Pro-Tipp: Führe dein eigenes Toilettenpapier mit, die Versorgung damit ist nicht immer sichergestellt.
Die meisten Refuges bieten kalte Duschgelegenheiten. Im Refuge de l’Onda kannst du dank der Solar-Panels mit etwas Glück auch warm duschen.
Empfang für Mobiltelefone ist in den Bergen immer schwierig, so auch auf dem GR 20: Hin und wieder gibt es Netz, meist aber nicht. Du solltest dich keinesfalls darauf verlassen, telefonieren zu können.
Die Stromversorgung funktioniert da etwas zuverlässiger: Auf nahezu allen Hütten kannst du Telefon oder GPS-Gerät – gegen Gebühr – aufladen.
Verpflegung auf den Hütten
Neben Schlafraum und Sanitärbereich verfügt jedes Refuge über einen Aufenthaltsraum mit Küche, ein eigener Kocher ist also nicht nötig. Daneben gibt es oft noch eine Verkaufsstelle in der du deinen Proviant mit leckeren lokalen Spezialitäten oder – kostengünstiger – mit Nudeln, Tomatensoße und Toastbrot auffüllen kannst.
Nicht ganz günstig (aber jeden Cent wert) sind die Preise für ein Abendessen: Ungefähr 20 bis 25 Euro musst du hinlegen (Stand 2018), dafür stehen dann drei bis vier reichhaltige Gänge auf dem Tisch. Fast immer dabei ist der aus Schafs- oder Ziegenmilch hergestellte Brocciu Käse, eine der bekanntesten korsischen Spezialitäten. Oft genießt du ihn, während die Tiere aus deren Milch er gewonnen wurde quasi daneben weiden. Besonders empfehlenswert ist das Omelette au Brocciu mit Pfefferminze im Refuge de l’Onda.
Vegetarier sollten nicht davon ausgehen, dass es für sie immer etwas geben wird. Zwar bieten viele Hütten vegetarische Optionen und teils ist das Menü auch direkt fleischfrei. Leider gibt es aber auch „Charakterköpfe“ wie den Wirt des Refuge de Petra Piana, die sich strikt weigern ihre vegetarischen Gäste zu versorgen. In diesem Fall musst du dann auf mitgeführte Vorräte zurückgreifen.
Falls du vor hast die Strapazen des Tages feucht-fröhlich zu feiern, solltest du die finanziellen Reserven checken: Durchschnittlich sieben Euro kostet die Halbliterdose des leckeren korsischen Pietra Kastanien-Biers auf den Hütten. Ein deutlich besseres Preis-Leistungsverhältnis bieten die in jedem Refuge verfügbaren Flaschen oder Karaffen mit Rotwein, die mit ungefähr 10 Euro zu Buche schlagen. Viel Zeit für einen ausgewachsenen Hüttenrausch wird dir ohnehin nicht bleiben. Ab ungefähr 21 Uhr sind alle im Matratzenlager oder Zelt … deutlich früher als wir es auf anderen Wanderungen erlebt haben.
Wasser hingegen ist an den Quellen der Hütten natürlich kostenlos verfügbar.
Sind die Korsen unfreundlich?
Erzählten wir im Vorfeld von unserem geplanten Trip nach Korsika, folgte in 80 Prozent der Fälle der Hinweis auf die offenbar legendäre Unfreundlichkeit der Bewohner Korsikas. Hätte man einige Erwähnungen noch als Einzelfälle abtun können, irritierte die Häufigkeit doch deutlich.
Auf Korsika angekommen dann also voller Spannung (und innerlich zitternd) die erste Kontaktaufnahme mit einem Einheimischen … Und der Herr ist extrem freundlich! Genau wie fast alle anderen Menschen, die wir auf Korsika treffen. Was ist hier los?
Einen Erklärungsansatz liefert die Begegnung zwischen einem Wanderer und dem Betreiber eines Refuge: Uns gegenüber eben noch bestens gelaunt, sinkt die Stimmung des Wirts innerhalb von Sekundenbruchteilen auf den Gefrierpunkt, als er von dem ankommenden Wanderer auf Englisch angesprochen wird.
Ohne da jetzt psychologisch eintauchen zu wollen: In Frankreich wird generell viel Wert auf die höfliche Anrede gelegt. Du solltest ein Gespräch immer mit „Bonjour Madame / Monsieur“ eröffnen, auch wenn deine Französischkenntnisse (so wie meine) im Grunde damit erschöpft sind. Zumindest der Versuch wird gewürdigt werden und der anschließende Check-In in der Hütte und die Reservierung des Abendessens lassen sich mit ein paar Brocken Französisch, etwas Englisch, sowie Händen und Füßen erfolgreich erledigen. Wenn du auf Nummer sicher gehen willst, kannst du dir auch einige Sätze zurechtlegen.
Generell kommst du auf Korsika mit Korsisch oder Französisch natürlich problemlos durch, Italienisch kann ebenfalls funktionieren. Englisch ist eher Glückssache.
Bei der detaillierten Planung der Strecke hilft dir der Rother Wanderführer Korsika.
Und jetzt viel Spaß bei deiner Wanderung auf dem GR 20!
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