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Baltikum Rundreise mit Bus, Bahn & Fähre
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In West- und Südeuropa haben wir bereits zahlreiche Orte besucht, aber der Norden …? Ein weißer Fleck auf der Landkarte! Besonders die baltischen Staaten sahen für uns mit ihrer bewegten Geschichte interessant aus. Es war also an der Zeit, unsere Wissenslücke (zumindest teilweise) mit einer Baltikum Rundreise zu schließen!

Dass wir versuchen so oft wie möglich auf Flugreisen zu verzichten, und stattdessen lieber klimaschonend reisen, machte die Planung gewohnt aufwändig. So mussten verschiedene Fähr-, Bus- und Zugverbindungen koordiniert werden, was in einen größeren Recherche-Aufwand ausartete. Letztlich konnten wir aber einen Reiseplan erarbeiten, in dem alles nahtlos ineinander griff.

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Vor Ort erlebten wir dann – natürlich – einige Überraschungen. Die baltischen Staaten fühlten sich jung und modern an, nicht zuletzt die erwarteten Sprachbarrieren entfielen also komplett. Fast überall wurde Englisch auf einem hohen Niveau gesprochen.
Schwieriger war da schon die deutsche Gewohnheit, mit Bargeld zu bezahlen. Besonders in Estland kamen wir uns damit wie Dinosaurier vor und in einigen Restaurants war Cash gar nicht erst möglich. Hier – aber auch in den anderen Ländern unserer Baltikum Rundreise – ist Kartenzahlung deutlich verbreiteter als in Deutschland.

Um zu sehen was wir sonst noch erlebt haben … begleite uns auf einem spannenden Trip durch die baltischen Staaten!


Danzig – Historische Highlights

Werft in Danzig

Die erste Station unserer Ostsee-Umrundung war in Danzig. Wir erreichten die geschichtsträchtige Hansestadt nach einer Zugfahrt von Berlin über Posen (Poznań) und waren sofort begeistert von ihrem schönen Neorenaissance-Bahnhof.
Zahlreiche Museen, die historischen Gebäude in der malerischen Innenstadt und die Bernsteingasse zeugen davon, dass in Gdańsk das Schicksal Europas mehrfach entscheidend beeinflusst wurde.

Nach einem veganen Abendessen und einigen Bars stiegen wir am nächsten Tag also mit zwei geführten Touren in die reiche Geschichte der Stadt ein.
Danach verbrachten wir zu viel Zeit im faszinierenden Solidarność Museum, wodurch wir fast die Fähre nach Stockholm am frühen Abend verpassten.


Stockholm – Lebendige Vergangenheit

Uferpromenade in Stockholm

Nach einer entspannten Überfahrt erreichten wir am nächsten Mittag Stockholm. Die schwedische Hauptstadt schockte (erwartungsgemäß) mit einem für Deutsche astronomischen Preisniveau. Vor allem Alkohol ist hoch besteuert und diese zwei Gläser Wein in einer etwas besseren Bar könnten zu den Teuersten unseres Lebens gehört haben …

Dafür gibt es in Stockholm viel zu sehen und wir konnten nur einen kleinen Teil davon in einem Tag unterbringen.
Nach dem Check-In im Hotel (auf der Yacht Mälardrottningen!) ließen wir uns von der Altstadt Gamla Stan bis zum Vasa Museum treiben.
Dort ist das Wrack des für seine Zeit gigantischen Kriegsschiffs Vasa ausgestellt. Es sank nur wenige Meter nach Stapellauf, ist aber gut erhalten und zumindest in der Ausstellung mehr als beeindruckend.

Am Abend führte unser Weg ins südlich von Gamla Stan liegende Viertel Södermalm. Hier beherrschten Hipster das Straßenbild und alles schien etwas budgetfreundlicher zu sein. Rund um die Haltestelle Slussen gab es viele (relativ) günstige Bars.
Uns zog es aber weiter zu Hermans, einem hervorragenden veganen all-you-can-eat Restaurant mit Panoramablick über den Hafen.

Am nächsten Morgen stand dann das Freilichtmuseum Skansen auf der Halbinsel Djurgården auf dem Programm. Etwa 150 Gebäude aus allen Landesteilen wurden ins älteste Museum seiner Art verlegt, darunter Bauernhöfe, eine Schule und sogar eine Kirche. Der ganze Ort ist von Darstellern bevölkert die Bräuche erläutern und Alltagsarbeiten nachgehen. Eine spannende Gelegenheit, Schwedens Geschichte und Tierwelt hautnah zu erleben!

Für das nahe gelegene ABBA-Museum fehlte uns dann leider die Zeit, denn am späten Nachmittag ging die Fähre nach Tallinn… und die Fahrt war spektakulär! Im Licht der untergehenden Sonne tuckerte das Schiff durch den Stockholmer Schärengarten, ein idyllisches Labyrinth aus zahllosen kleinen Inseln.


Tallinn – Hipster-Hauptstadt

St. Johannis Kirche (Jaani kirik) in Tallinn

Nach einer ruhigen nächtlichen Überfahrt (mit Zwischenstopp in Helsinki) begann in der Hauptstadt Estlands nun die eigentliche Rundreise durchs Baltikum.

Das auf den ersten Blick eher beschauliche Tallinn entpuppte sich als echtes Überraschungspaket. Angefangen bei der großen Zahl vegetarischer Restaurants, dem für Einwohner kostenlosen öffentlichen Nahverkehr bis hin zur für uns vollkommen unverständlichen Sprache (Estnisch ist stark mit dem Finnischen verwandt).

Wir schauten uns die als UNESCO Weltkulturerbe eingestufte Altstadt an und staunten über die am Bahnhof gelegene Balti Jaam Markthalle mit ihren Unmengen an Ostblock-Trash und Second-Hand Kleidung.
Im Hipsterviertel Telliskivi Creative City – wo sich Künstler, Gastronomie und Musiker angesiedelt haben – verbrachten wir eine Menge Zeit bevor wir den Sonnenuntergang im Hafenviertel Port Noblessner genossen.


Riga – Beeindruckende Architektur

Vanšu-Brücke in Riga

Am nächsten Mittag ging es mit dem Bus von Tallinn nach Riga und wir erreichten die Hauptstadt Lettlands nach einer ungefähr fünfstündigen Fahrt.

Berühmt ist Riga für seine architektonischen Highlights: Die große Zahl an Jugendstilgebäuden sind UNESCO Weltkulturerbe und auch die Gebäude der Altstadt, das Schwarzhäupterhaus und die zahlreichen Kirchen sind weltbekannt.
Nach einem entspannten Abend nahmen wir am nächsten Morgen all das im Vorbeigehen mit. Dazwischen schauten wir immer wieder Künstler an, die im Rahmen eines Straßenmusik-Festivals überall in der Stadt auftraten.
Den Mittag verbrachten wir im Zentralmarkt, einem riesigen ehemaligen Zeppelin-Hangar.

Am Nachmittag beeindruckte uns das Ghetto-Museum, das das Schicksal der lettischen Juden während des Zweiten Weltkriegs dokumentiert. Mehr Geschichte gab es anschließend im KGB-Museum, das im ehemaligen Hauptquartier des Geheimdienstes untergebracht ist.
Der Tag klang schließlich sehr idyllisch bei einer Sunset-Bootstour auf der Düna aus.

Klaipėda & Kurische Nehrung

Am nächsten Morgen fuhren wir in circa fünf Stunden mit dem Bus von Riga nach Klaipėda.

Wie eigentlich alle Städte, in denen wir während unserer Baltikum Rundreise Station machten, hat auch die wichtigste litauische Hafenstadt eine bewegte Geschichte.
Heute hat Klaipėda auch viele kulturelle Highlights zu bieten, so befindet sich zum Beispiel auf dem Gelände des alten städtischen Friedhofs der Mazvydo Skulpturenpark, in dem mehr als 100 Werke litauischer Bildhauer ausgestellt sind. Weitere Skulpturen sind überall in der Stadt verteilt.

Der eigentliche Grund unseres Aufenthalts hier war aber ein anderer: Klaipėda ist das Tor zu einem beeindruckenden Landschaftsschutzgebiet.

Die Kurische Nehrung liegt als 98 Kilometer lange Halbinsel vor Litauen in der Ostsee und ist nicht zuletzt wegen ihrer einzigartigen Dünenlandschaft UNESCO Weltkulturerbe. Dabei ist der nördliche Teil litauisches Territorium, die südliche Hälfte gehört zur angrenzenden russischen Enklave Kaliningrad.
Fußgänger und Radfahrer erreichen die Kurische Nehrung mit der Fähre vom Old Ferry Terminald. Die Autofähre legt an einem anderem Terminal ab.
Die Nehrung lässt sich am Besten auf den gut ausgebauten Radwegen erkunden, Radverleihe gibt es zum Beispiel am Hafen-Terminal und an verschiedenen Orten auf der Halbinsel.
Wir wanderten für einige Stunden auf den angenehm schattigen Waldwegen. In regelmäßigen Abständen führten Holzstege zu den weitläufigen Stränden, an denen gelegentlich Strandbars zu einer Pause einluden.


Vilnius – Alternative Highlights

Skyline von Vilnius

Am nächsten Nachmittag brachte uns die Bahn in ungefähr vier Stunden von Klaipėda nach Vilnius.

Auf die letzte Station in einem Staat des Baltikums hatten wir uns besonders gefreut. In der litauischen Hauptstadt befindet sich nämlich das Viertel Užupis – seit einer Kunstaktion in den 1990ern eine unabhängige (international nicht anerkannte) Republik mit eigener Verfassung, Währung und allem, was dazugehört. Vom ehemals anarchischen Geist ist heute nicht mehr viel zu spüren, stattdessen fühlte sich alles ein wenig nach alternativer Folklore an, war aber durchaus angenehm.
Nachdem wir Užupis erkundet hatten zog es uns zur Loftas Open Gallery. Auf dem ehemaligen Fabrikgelände gibt es jede Menge Street Art, Skulpturen, Performances und einen Live-Club.

Sehr interessant waren dann das Holocaust-Museum und das KGB-Museum. Beide warten mit Unmengen an Informationen auf und fesselten uns für jeweils mehrere Stunden.
Zum Abschluss pilgerten wir zur Frank Zappa Statue. Der Ausnahmekünstler hat Vilnius zwar nie besucht, erhielt sein Denkmal aber – genau wie John Lennon – zur Feier der (kulturellen) Unabhängigkeit nach dem Ende der Sowjetunion.

Białystok – Christliches Kernland

Am nächsten Mittag ging dann der Bus von Vilnius nach Białystok, der die Strecke in ungefähr fünf Stunden bewältigte.

Die Provinzhauptstadt im Osten Polens kannten wir vorher überhaupt nicht und die Übernachtung hier war nur gebucht, um nicht spätnachts in Warschau anzukommen.
Kurz vor unserer Reise schaffte es Białystok dann aber in die internationalen Schlagzeilen: Fundamentalistische Christen und Hooligans griffen die erste Gay-Pride Parade der Stadt an und es gab Dutzende Verletzte.

Unsere Bedenken über die Stimmung hier wurden nicht unbedingt zerstreut als wir bei der Ankunft feststellten, dass in der Innenstadt gerade ein großes christliches Festival stattfand.
Nach ein wenig Sightseeing gingen wir also früh schlafen und waren nicht traurig, als uns am nächsten Morgen die Bahn von Białystok nach Warschau innerhalb von drei Stunden in die Metropole brachte.


Warschau – Relaxen am Weichsel-Boulevard

Bar am Weichselufer in Warschau

Direkt bei der Ankunft immer wieder beeindruckend ist der Kultur- und Wissenschaftspalast Pałac Kultury i Nauki nahe des Bahnhofs. Der monumentale Bau wurde auf Geheiß Stalins von 1952 bis 1955 im Akkord hochgezogen und war als Symbol der Unterdrückung bei den Warschauern verhasst. Heute ist der Wolkenkratzer eine beliebte Touristenattraktion und beherbergt Museen und Theater.

Die Hauptstadt Polens ist eine lebendige und spannende Metropole mit einer Menge Attraktionen.
Besonders empfehlenswert ist das Museum des Warschauer Aufstandes. Hier wird auf sehr beeindruckend Weise die Geschichte des zweimonatigen Widerstands gegen die deutsche Besatzungsmacht im Spätsommer 1944 erzählt.
Ebenfalls sehr spannend ist das Warsaw Ghetto Museum, das den Aufstand im Warschauer Ghetto im Frühling 1943 behandelt.
Daneben gibt es in Warschau natürlich zahllose (vegetarische) Restaurants, Clubs und alles, was das Herz begehrt.

Wir schlenderten dieses Mal nur durch die Stadt und ließen schließlich bei einem wunderschönen Sonnenuntergang am Weichselufer die vergangenen Tage Revue passieren.
Am nächsten Morgen folgte dann die zwölfstündige Zugfahrt zurück in den Süden Deutschlands.


Unsere Baltikum Rundreise – Ein nachhaltiger und spannender Trip durch die nordöstliche EU

Hafen von Klaipėda

Was für eine Reise! Die teils akribische Recherche der Bus-, Bahn- und Fährverbindungen hatte sich absolut gelohnt, denn die zwei Wochen (inklusive An- und Abreise) waren vollgepackt mit Unmengen an neuen Erfahrungen und spannenden Begegnungen.

Besonders eindrücklich war die vielerorts gut dokumentierte Geschichte der osteuropäischen Juden. Auch die sowjetrussische und deutsche Besatzung von 1940 bis 1990 scheint die Bewohner der baltischen Staaten tief geprägt zu haben.
Zum Zeitpunkt unsere Baltikum Rundreise (2019) schien das Alles weit in der Vergangenheit zu liegen. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine 2022 und der weiter andauernde Krieg setzen aber Vieles in eine neue Perspektive.
Im Rückblick fast schon prophetisch wirkt eine Unterhaltung in einer Bar in Vilnius. Ein Užupis-Local erzählte uns hier von Fluchtpunkten, die viele Litauer mit ihrer Familie vereinbart hätten. Im Falle einer russischen Invasion sollten sich alle so schnell wie möglich absetzen, um dann in Polen wieder ihre Angehörigen zu treffen. Diese tiefsitzende Angst kam uns damals überzogen vor. Wie die aktuelle Entwicklung zeigt hat sie aber wohl durchaus ihre Berechtigung.

Wir wünschen allen Bewohner:innen der baltischen Staaten also eine friedliche und glückliche Zukunft!

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